Bejagung oder Nichtbejagung, das ist hier die Frage

Der Wolf wird in Österreich nicht bejagt…oder doch? In 7 der 9 Landesjagdgesetze wird der Wolf als jagdbares Wild geführt. Zu einer Bejagung kam es in den letzten Jahrzehnten dennoch nicht. Grund genug sich kurz die rechtliche Situation anzusehen.

Der Schutz des Wolfes ist sowohl völkerrechtlich, als auch europarechtlich verankert. Völkerrechtlich sieht die Berner Konvention, der Österreich 1983 beigetreten ist, den Schutz des Wolfes vor. Auf europäischer Ebene sieht die Fauna und Flora Habitat Richtlinie den Schutz des Wolfes vor und setzt im Wesentlichen die Berner Konvention um. Österreich hat den Schutz des Wolfes dadurch verankert, dass es für ihn schlichtweg keine Abschusszeiten gibt oder er zwar als jagdbares Wild geführt, von der Bejagung aber explizit ausgenommen wird.

Tötung nur in Ausnahmefällen

Den absoluten Schutz des Wolfes, von dem sehr oft ausgegangen wird, gibt es in dieser Form allerdings nicht. Die Fauna und Flora Habitat Richtlinie sieht Ausnahmebestimmungen für die Tötung des Wolfes vor, etwa zum Schutz wildlebender Tiere und der Erhaltung des natürlichen Lebensraumes, zur Verhütung ernster Schäden in der Tierhaltung oder zum Zweck der Volksgesundheit und öffentlichen Sicherheit.

Teilweise fanden diese Ausnahmetatbestände auch Eingang in die österreichischen Jagdgesetze. Wie so oft stellt sich allerdings die Frage, ab wann man von einer Situation ausgehen kann, die einen der Ausnahmetatbestände erfüllt. Insbesondere die Frage nach den ernsten Schäden in der Tierhaltung lässt viel Interpretationsraum offen, und wird man sich fragen müssen, ob als Schäden neben den Wolfsrissen nicht auch die höheren Kosten für die Prävention von Rissen, z.B. in Form von Herdenschutz angesehen werden müssen.

Vage Bestimmungen

Beim Abschuss eines Wolfes zum Zweck der Volksgesundheit ist in erster Linie an kranke, etwa tollwütige Tiere zu denken. Sehr vage ist auch die Ausnahmebestimmung des Abschusses eines Wolfes aus Gründen der öffentlichen Sicherheit. Hier ist zu hinterfragen, ab wann von einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit auszugehen ist. Liegt eine solche bereits dann vor, wenn sich eine hohe Wolfspopulation etabliert oder wenn sich ein Wolf den Menschen nähert oder erst, wenn es einen Angriff auf einen Menschen geben sollte?

Ende 2018 hat sich Niederösterreich dazu entschlossen, die Bejagung des Wolfes zuzulassen, zumindest in der Theorie. Insbesondere im Hinblick auf die vergleichsweise hohe Wolfspopulation in Niederösterreich und erste Erfahrungen mit Wölfen, die sich ohne Scheu dem Menschen genähert haben, hat sich das Land entschieden, die gezielte Entnahme einzelner Tiere durch eine Abänderung des Jagdgesetzes zu ermöglichen. Diese Maßnahme sorgte für Aufregung und wurde häufig so interpretiert, dass nunmehr ohne Einschränkung auf den Wolf gejagt werden soll. Wenn man sich allerdings mit der niederösterreichischen Regelung befasst, stellt man schnell fest, dass dem keineswegs so ist.

 

§ 100a Niederösterreichisches Jagdgesetz 1974 sieht vor, dass im Interesse der Gesundheit oder Sicherheit des Menschen oder der öffentlichen Sicherheit, einschließlich der Verteidigung der Zivilbevölkerung die Bezirksverwaltungsbehörde an den Jagdausübungsberechtigten den Auftrag erteilen kann, einen Wolf zu vergrämen oder als letztes Mittel diesen zu erlegen. Zur Abwehr erheblicher land- und forstwirtschaftlicher oder sonstiger wirtschaftlicher Schäden durch einen Wolf kann die Bezirksverwaltungsbehörde dem Jagdausübungsberechtigten den Fang, die Betäubung, die Besenderung und als letztes Mittel den Abschuss auftragen.

Den Letzten beißen die …

Hier zeigt sich deutlich, dass diese Regelung einerseits zu keiner generellen Bejagung des Wolfes führen soll und andererseits, dass die Verantwortung beim Jagdausübungsberechtigten verbleibt. Dies ist insbesondere im Hinblick auf den Umstand, dass dieser zuerst aufgefordert werden müsste, einen Wolf zu fangen, zu betäuben und zu besendern, fragwürdig. Woher der Jagdausübungsberechtigte sowohl die Fachkenntnis als auch die nötige Ausrüstung für das Betäuben und Besendern oder den Lebendfang des Wolfes nehmen soll, bleibt nach dem Gesetzeswortlaut ihm überlassen.

Ob der Vorstoß Niederösterreichs zu einer generellen Änderung der Bejagungssituation in Österreich führen wird oder nicht, bleibt abzuwarten und wird sich wohl auch nach der Entwicklung der Wolfspopulation in Österreich richten.

Einstweilen bleibt der Wolf daher weiterhin von einer generellen Bejagung ausgeschlossen und werden illegale Abschüsse nicht nur verwaltungsrechtlich geahndet, sondern können auch Haftstrafen von bis zu zwei Jahren nach sich ziehen.

Autor: Mag. Lukas Schwarz, LLB.oec.