Unklare Klauseln gehen zu Lasten des Versicherers
Die Auslegung von Versicherungsbedingungen ist immer so eine Sache. Der Oberste Gerichtshof hat in einem Stehsatz immer wieder ausgesprochen, dass für die Auslegung der Versicherungsbedingungen der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer als Maßstab heranzuziehen ist. Unklare Klauseln gehen zu Lasten des Verwenders; das heißt zu Lasten des Versicherers.
Besondere Schwierigkeiten gibt es, wenn ein Begriff im allgemeinen Lebenssprachgebrauch anders definiert ist, als im fachwissenschaftlichen Bereich. Hier sagt der Oberste Gerichtshof, dass es bei medizinischen Fachbegriffen nicht auf die fachwissenschaftliche Terminologie der ärztlichen Wissenschaft ankommt, sondern auf den allgemeinen Sprachgebrauch.
Kletterwand ≠ Bergwand
In einer Entscheidung 7 Ob 191/16 p, OGH vom 09.11.2016 hatte der Oberste Gerichtshof die Frage zu klären, ob der Begriff „Freeclimbing in einer Kletterhalle“ unter den Haftungsausschluss für Unfälle bei der Ausübung von gefährlichen Sportarten, wie Bergsteigen ab Schwierigkeitsgrad 5 unter Freeclimbing fällt oder nicht.
Um es im Ergebnis kurz zu machen: NEIN. Entscheidend dafür ist der allgemeine Sprachgebrauch eines durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers einer Familienunfallversicherung. Dieser versteht unter „Freeclimbing“ eine gefährliche Sportart, die ohne Sicherungsmittel im Freien ausgeübt wird. Freiklettern mit Sicherungsmittel in einer Halle kann daher nicht als Freeclimbing in diesem Sinne verstanden werden. Das Klettern in einer Kletterhalle ist auch kein Bergsteigen, da der Kletterer ja nicht auf einen Berg steigt, sondern auf eine Kletterwand.
Im Ergebnis kommt daher der Oberste Gerichtshof zu der Erkenntnis, dass ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer Klettern in einer Sporthalle mit Sicherungsmittel weder als Freeclimbing noch als Bergsteigen verstehen kann, sodass für diesen Fall Versicherungsdeckung besteht. Man sieht, wenn der Oberste Gerichtshof es will, geht viel…