Tierhalterhaftung nach § 1320 ABGB
Spätestens seit dem aufsehenerregenden Urteil des Landesgerichts Innsbruck zum Zwischenfall mit einer Kuh im Pinnistal im Jahr 2014, bei dem eine deutsche Urlauberin getötet wurde, ist die Haftung des Tierhalters für seine Tiere wieder in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Dass es zu Angriffen von Tieren auf Menschen kommt, ist weder außergewöhnlich noch eine Entwicklung der letzten Jahre. Die dazu vorhandenen Urteile sind vielfältig und auch zu Angriffen von Weidetieren gibt es bereits höchstgerichtliche Judikatur. Wir wollen Sie in diesem Beitrag grundsätzlich über die Tierhalterhaftung in Österreich aufklären.
1320 ABGB regelt, dass derjenige für einen vom Tier verursachten Schaden einzutreten hat, der das Tier dazu antreibt, es reizt oder es zu verwahren vernachlässigt hat. Rechtsprechung und Lehre sind sich nicht einig, wann von einem „Antreiben“ bzw. „Reizen“ ausgegangen werden kann. Während die Lehre hier eine mutwillige bzw. willkürliche Handlung fordert, lässt ein Teil der Lehre bloß sorgfaltswidriges Verhalten genügen. In den meisten Fällen wird dieser akademischen Frage aber kaum Bedeutung zukommen, da für die Praxis eher selten Fälle relevant sind, bei denen ein Tier ganz gezielt auf einen anderen gehetzt wird. Da sich zahme Löwen und Tiger eher selten in Österreich finden und Schnappschildkröten nur bedingt fürs Hetzen geeignet sind, sind es meist Hunde, die auf jemanden gehetzt werden. Die Haftung dafür ist meist klar, solange es sich dabei nicht etwa um den Einsatz von Diensthunden handelt, da diese – unter gewissen Umständen – auf Menschen gehetzt werden dürfen.
Pflicht zur sicheren Verwahrung und Beaufsichtigung
Eine wirkliche Relevanz haben jene Fälle, bei denen etwas passiert, weil ein Tier nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt bzw. verwahrt wird. Vom Halter wird verlangt, dass er das von ihm gehaltene Tier so verwahrt bzw. beaufsichtigt, dass von diesem keine Gefahr ausgeht. Die Art und Intensität der Verwahrung ist dabei unter anderem von der sich aus der Art des Tieres ergebenden Gefährlichkeit abhängig. Je gefährlicher das Tier desto größer muss die Sorgfalt bei dessen Verwahrung ausfallen. Weiters von dessen Schadensmöglichkeit, also dem Schaden, den das Tier theoretisch anrichten kann. Hier wird der von einer Schnappschildkröte anrichtbare Schaden doch deutlich hinter dem eines Löwen oder Hundes stehen. Zudem ist eine Abwägung der Interessen wahrzunehmen, also zu prüfen, ob die geforderte Verwahrung im Verhältnis zur andernfalls bestehenden Gefährdung des Menschen steht.
Sind dem Tierhalter besondere Eigenschaften seines Tieres bekannt, die eine Erhöhung der Gefährdung durch das Tier bewirken oder hätten sie ihm bekannt sein müssen, so hat er bei der Verwahrung und Beaufsichtigung noch sorgsamer zu handeln. Weiß etwa ein Hundebesitzer, dass sein Hund schreckhaft oder aggressiv auf Kinder reagiert, so ist er, wenn Kinder anwesend sind oder mit der Anwesenheit von Kindern zu rechnen ist, auch verpflichtet, durch entsprechende (zusätzliche) Sicherungsmaßnahmen wie z.B. einem Maulkorb darauf zu reagieren.
Grenzen der Beaufsichtigungs- und Verwahrungspflicht
Die Beaufsichtigungs- und Verwahrungspflicht darf aber nicht überspannt werden. Vom Halter eines an sich gutmütigen Tieres wird nicht erwartet, dass er Vorkehrungen trifft, die schlichtweg jede denkbare Gefahr durch das Tier ausschließen. Unabhängig von einem verordneten Leinen- oder Maulkorbzwang kann es aber auch bei gutmütigen Hunden notwendig sein, diese an die Leine zu nehmen. Gerade bei Kleinkindern sieht die Rechtsprechung auch bei Haltern von gutmütigen und kinderfreundlichen Hunden die Pflicht, besondere Sorgfalt walten zu lassen. Wer daher Kleinkinder mit einem Hund unbeaufsichtigt spielen lässt, verletzt die gebotene Sorgfalt und haftet für entstandene Schäden.
Bei Hundebesitzern hält sich das Gerücht, dass ein „Erstbiss“ des Hundes folgenlos wäre. Dem ist nicht so, zumal sich immer die Frage stellt, ob die Verwahrung und Beaufsichtigung des Tieres ausreichend sorgfältig erfolgte oder nicht. Nach einem Erstbiss ist jedenfalls ein noch höherer Sorgfaltsmaßstab einzuhalten.
Beweislastumkehr für Tierhalter
Die Regelung des § 1320 ABGB sieht eine Beweislastumkehr vor. Das bedeutet, dass nicht der Geschädigte nachweisen muss, dass der Halter das Tier nicht ordnungsgemäß beaufsichtigt bzw. verwahrt hat, sondern muss der Halter beweisen, dass er alles Zumutbare für die Beaufsichtigung und Verwahrung des Tieres unternommen hat.
Eine entsprechende Tierhalterhaftpflichtversicherung kann zwar einen Teil der finanziellen Folgen eines Tierangriffes abfangen, schützt aber nicht vor verwaltungsrechtlichen oder allenfalls auch strafrechtlichen Konsequenzen.
Als Tierhalter kennen Sie Ihre Tiere am besten. Handeln Sie daher entsprechend, um Schadensfälle zu vermeiden.
Sollte dennoch etwas passieren, steht Ihnen unsere Kanzlei gerne mit juristischem Rat zur Seite.