Wenn Fachwissen gefragt ist
Häufig werden im Strafprozess von der Staatsanwaltschaft und dem Gericht Sachverständige dem Verfahren beigezogen, die für den Prozess relevantes Fachwissen bereitstellen. Dies reicht vom kfz-technischen Sachverständigen, der an der Rekonstruktion eines Unfallgeschehens mitwirkt über den unfallchirurgischen Sachverständigen, der Verletzungen im Zuge eines Raufhandels beurteilt, bis zum Buchsachverständigen, der bei Wirtschaftsdelikten die wirtschaftlichen Gebarungen prüft.
Aufgabe des Sachverständigen
Die Aufgabe des Sachverständigen lässt sich im Groben in zwei Themenbereiche gliedern. Die Erstellung eines Befunds, also das Aufzeigen von Tatsachen (z.B. „Das Fahrzeug weist starke Deformationen im gesamten Frontbereich auf.“) und die Erstattung eines Gutachtens (z.B. „Wäre der Lenker mit einer Geschwindigkeit von nur 50 km/h gefahren, wäre eine Kollision vermeidbar gewesen.“). Unterschieden wird zwischen dem vom Gericht bzw. der Staatsanwaltschaft beigezogenen Sachverständigen (dem Gerichtssachverständigen) und dem vom Beschuldigten beigezogenen Sachverständigen (dem Privatsachverständigen).
In den wenigsten Fällen ist das Gutachten des Gerichtssachverständigen für die Prozessbeteiligten überprüfbar, da ihnen typischerweise das nötige Fachwissen fehlt. Dies trifft nicht nur auf das Gericht und die Staatsanwaltschaft, sondern auch die Verteidigung und meist den Beschuldigten selbst zu. Da sich Richter bei ihrer Entscheidung aber oft auf das Gutachten des beigezogenen Gerichtssachverständigen stützen, muss dieses für die Verteidigung überprüf- und widerlegbar sein.
Rechtlich schwierige Situation im Verfahren
Die Situation von Privatgutachtern im Verfahren ist allerdings schwierig, zumal die Rechtsprechung trotz Bemühungen des Gesetzgebers bisher nicht bereit ist, das Gutachten eines Privatsachverständigen zu akzeptieren. Der Oberste Gerichtshof hat in zahlreichen Entscheidungen die Judikaturlinie erarbeitet, dass mit einem Privatgutachten kein Sachverständigenbeweis geführt werden kann. Nach Ansicht des OGH spiegelt ein solches Gutachten lediglich die Meinung eines Gutachters wider. Doch was kann oder soll der Privatsachverständige dann bewirken?
Er kann und soll im Hintergrund, zusammen mit der Verteidigung, agieren und dieser die „Munition“ liefern. Die Beiträge des Privatsachverständigen sind dabei vielfältig und je nach dem Stand des Verfahrens zu unterscheiden.
Beitrag des Privatsachverständigen
Wenn etwa im Ermittlungsverfahren ein Sachverständiger bestellt wird, so steht dem Beschuldigten das Recht zu, binnen 14 Tagen bei Kenntnis eines Befangenheitsgrundes oder bei Vorliegen begründeter Zweifel an der Fachkompetenz des Sachverständigen einen Antrag auf Enthebung desselben zu stellen. Insbesondere bei der Frage, ob der bestellte Sachverständige über die nötige Fachkompetenz verfügt, kann der Privatsachverständige einen Beitrag leisten. Nicht nur, dass er die Fachkompetenz des bestellten Sachverständigen beurteilen kann, er kann auch aufzeigen, aus welchen Gründen diese nicht vorliegt, was wiederum von der Verteidigung für den Antrag auf Enthebung genutzt werden kann.
Im Ermittlungsverfahren ist die Staatsanwaltschaft dem Objektivitätsgrundsatz verpflichtet. Sie hat sohin für und gegen den Beschuldigten zu ermitteln. Stützt sie sich bei ihren Ermittlungen auf ein von ihr eingeholtes Gutachten eines beigezogenen Sachverständigen als Beweismittel, so kann es sinnvoll sein, ein Privatgutachten einzuholen. Können in einem solchen fachliche Mängel am Gutachten des Sachverständigen der Staatsanwaltschaft aufgezeigt werden, so hat die Staatsanwaltschaft entsprechend zu reagieren und ihren Sachverständigen damit zu konfrontieren.
Eine wesentliche Aufgabe der Verteidigung im Verfahren ist es, Beweise beizubringen, mit denen die Unschuld des Beschuldigten bewiesen oder zumindest Zweifel an dessen Schuld geschaffen werden können. Gerade in technischen oder medizinischen Fragen kann es schwierig sein, die entsprechenden Beweise überhaupt zu finden bzw. diese dem Gericht richtig zu präsentieren. Auch hier kann der Privatsachverständige einen wertvollen Beitrag liefern.
Unterstützung der Verteidigung
Im Hauptverfahren werden Privatgutachten nicht berücksichtigt, was in erster Linie auf ein Misstrauen der Gerichte zurückzuführen sein dürfte. Allerdings kann der Befund des Privatsachverständigen Eingang ins Verfahren finden, da dieser hier wie ein Zeuge behandelt wird und wiedergeben kann, was er wahrgenommen hat. Seit 2014 besteht allerdings die Möglichkeit, dass der Beschuldigte bzw. die Verteidigung im Rahmen der Hauptverhandlung zur Befragung von Zeugen oder des vom Gericht bestellten Sachverständigen einen Privatsachverständigen beizieht. Dieser kann nicht nur die Verteidigung bei der Fragestellung unterstützen, sondern hat auch selbst das Recht, Fragen an Zeugen und Gerichtsgutachter zu stellen.
Die Rechtsprechung ist mittlerweile dazu übergegangen, dem freigesprochenen Beschuldigten – der sich zu seiner Verteidigung eines Privatsachverständigen bedient hat – einen Barauslagenersatz für die Kosten des Privatsachverständigen zuzusprechen, sodass zumindest ein Teil der Sachverständigenkosten gedeckt ist.
Was bedeutet das nunmehr für Sie? Sollten Sie mit strafrechtlichen Vorwürfen konfrontiert werden, so werden wir mit Ihnen die Sinnhaftigkeit und Möglichkeit der Beiziehung eines Privatsachverständigen besprechen, wobei wir das Für und Wider abwägen werden. So sinnvoll die Beiziehung in machen Verfahren auch sein mag, sie ist weder ein Allheilmittel noch immer notwendig bzw. aus prozesstaktischen Gründen sinnvoll.